„Am Anfang stehen die Idee und das Interesse. Dann mache ich mich schlau“

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Marina Friedt ist freie Journalistin und seit 13 Jahren Vorsitzende des Hamburger DJV. Sie verrät, wie Jungjournalisten eine Nische finden, wie man souverän über Honorare verhandelt und was noch wichtig für Berufseinsteiger ist. 

Seit 2004 bist du gewählte Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV Hamburg). Was sind deine Aufgaben? 

Marina Friedt 

Marina Friedt 

Als ich antrat, war der DJV noch sehr printlastig. Unter meiner Regie haben wir erstmals Filme zur Selbstdarstellung gedreht. Auch der Online-Auftritt und unsere Facebook-Seite sind jetzt moderner. Im vergangenen Jahr haben wir eine #Freepress-Aktion mit 360-Grad-Fotos umgesetzt. Außerdem ist die Aus- und Weiterbildung für Journalisten eine Herzensangelegenheit von mir. Mit unserem Mentoringprogramm (Bewerbungsfrist 28.2.) versuchen wir, Journalisten im Beruf zu begleiten. Auch wichtig finde ich, dass Praktikanten der Mindestlohn bezahlt wird. 

Wer kann Mitglied im DJV werden? 

Alle, die hauptberuflich journalistisch arbeiten. Die Hälfte des Arbeitseinkommens muss aus journalistischer Tätigkeit kommen und sie müssen davon leben können. Wir haben aktuell 3000 Mitglieder beim DJV Hamburg und wir beobachten in allen Bereichen, also Print, Hörfunk und Fernsehen, einen kontinuierlichen Anstieg der Freiberufler. Viele freiberufliche Journalisten arbeiten auch in der PR, um über die Runden zu kommen. 

Welche Vorteile haben Mitglieder?

Gemeinsam ist man stärker in diesem Beruf. Journalisten sollten sich stets ein Netzwerk aufbauen, denn Kontakte sind das A und O, vor allem in den Medien, wo es oft um Empfehlungen geht. Der DJV ist auch hilfreich für diejenigen, die neu in Hamburg oder der Branche sind, und die Medien kennenlernen möchten.

Was bietet ihr denn für Berufsanfänger an?

Seit 2012 läuft das „Mentoringprogramm“ sehr erfolgreich. In einem Tandem helfen erfahrene Mentoren Rat suchenden Mentees auf die richtige Spur zu kommen. Das Alter spielt dabei keine Rolle, daher ist es auch geeignet für Quereinsteiger oder Kollegen, die sich neu orientieren wollen. 

Wie funktioniert das Programm?

Die Mentees bewerben sich mit ihrem Lebenslauf und einem kurzen Text, in dem sie erklären, warum sie das Mentoring brauchen und was es ihnen geben soll. Dann werten wir die Bewerbungen aus und matchen sie mit Journalisten, die bereit wären, für ein Jahr Mentor oder Mentorin zu sein. Ein oder zwei Mal lagen wir bei der Chemie daneben, aber meistens sind beide Seiten zufrieden und können viel voneinander lernen. 

Wie fördern die Mentoren ihre Mentees?

Oh, das ist ganz individuell. Wir haben keinen „Lehrplan“ und die Regie geht ganz klar von den Mentees aus. Sie müssen sagen, was sie wollen und brauchen. Sie haben den Zeit- und Betreuungsplan in der Hand. Manche Kollegen nehmen ihre Mentees auch mit auf die Arbeit. Und ab und an haben sich aus den Tandems feste Jobs ergeben, aber das ist nur ein Nebeneffekt. Ziel des Programms ist es vor allem, dass die Mentees glücklicher und selbstsicher aus dem Jahr hervorgehen, weil sie sich ausprobiert und gute Anstöße bekommen haben. 

Einer deiner Ratschläge an junge Kollegen ist, sich eine Nische zu schaffen. Wie findet man sie? 

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Durch Interessen. Es ist wichtig, sich klar zu werden, wofür man sich interessiert und darauf seinen beruflichen Fokus zu legen. Es macht keinen Sinn über Fußball zu schreiben, wenn mich Fußball nicht interessiert. Als gelernte Agrarwissenschaftlerin war es für mich nicht schwer, meine Nische zu finden. Ich schreibe oft über die Umwelt und Nachhaltigkeit. Neben meinem Faible für Naturwissenschaften bewundere ich starke Frauen. Politisch engagierte Frauen haben mich schon immer fasziniert. Am Anfang stehen die Idee und das Interesse. Und dann mache ich mich schlau. An manchen Themen arbeite ich seit Jahrzehnten. Der Vorteil ist, da macht mir so schnell keiner was vor (grinst). 

Was findest du noch wichtig? 

Dass Menschen miteinander kommunizieren können. Wenn eine Textabgabe nicht zu schaffen ist, ist es professioneller, es den Auftraggebern mitzuteilen, statt sich zu verkrümeln. Das gibt es leider öfter, als man denkt. Durch ein solches Verhalten bin ich schon an Jobs gekommen, weil händeringend nach Ersatz gesucht wurde. Auch die Honorare sind verhandelbar und wenn sie der Aufgabe nicht angemessen sind, sollte man keine Angst haben, auch das klar zu formulieren. 

Wie macht man das souverän?

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Na ja, es ist wie ein Ping-Pong-Match, bei dem der oder die Freie versucht, den Ball höher zu spielen. Es gibt feste Sätze: Online-Portale wie Stern.de zum Beispiel zahlen so um 220 Euro für eine Geschichte von 8. 000 Zeichen. Kommen Fotos hinzu, werden die extra honoriert – manchmal höher als der Text. Bei Spiegel Online lag das Honorar zuletzt bei 350 Euro und es war an mir, sie daran zu erinnern, dass ich noch zwei Bilder geliefert habe. Also bekam ich einen Aufschlag von 50 Euro. Reich wird man damit nicht, aber es ist wichtig, die Redaktionen daran zu erinnern, welche Arbeit dahinter steckt. Auch wenn ich länger brauche, weil ich den Gesprächspartner nicht gleich an die Strippe bekomme, kann man nicht mehr vom ursprünglichen Honorar ausgehen, weil der Aufwand gestiegen ist.

Was ist, wenn die Redaktion die Geschichte nicht veröffentlicht? Werden die Journalisten dennoch bezahlt?

Normalerweise bekommen sie dann die Hälfte des Honorars. Ist aber in jeder Redaktion anders. Bei NDR ist eine Geschichte von mir nicht gelaufen. Es war eine Geschichte über Fahrstühle: Ich bin damals hochschwanger in Hamburgs Aufzügen unterwegs gewesen. War dem Redakteur am Ende wohl nicht dramatisch genug, es stürzen ja auch wenige Fahrstühle in Deutschland ab (lacht). Ich bekam einen Anteil, sprich ein Ausfallhonorar. Ob die Honorare angemessen sind, kann man durchs Vergleichen herausfinden. Die Medienhäuser bezahlen alle sehr ähnlich. Recherche wird aber in der Regel nicht mehr bezahlt. 

Wie können sich Journalisten da Abhilfe schaffen?

Zum Beispiel über Stipendien. Genauso wie es Stipendien gibt, um Journalist zu werden, gibt es Stipendien für die Recherche, zum Beispiel das vom „Netzwerk Recherche“ oder das Grenzgänger-Stipendium von der Robert-Bosch-Stiftung. Über Letzteres stolperte ich bei einer Buchlektüre. Ich habe gesehen, ein Buch ist mithilfe des Grenzgänger-Stipendiums entstanden. Unser Bundesverbandsmagazin Journalist hatte auch mal eine ganze Liste mit Stipendien veröffentlicht. 

Wie bekommt man so ein Stipendium?

Eine Geschichte senden und warten, ob sie ihnen gefällt. Pro Jahr wird aber leider nur ein Projekt zugelassen, daher sollte man für die Arbeit, die gleichzeitig eine Bewerbung ist, genug Zeit einplanen. 

Wie betreibt man am besten Kaltakquise? 

Den Markt beobachten und wenn du glaubst, das Objekt deiner Begierde könnte zu deinem Thema passen, nicht scheuen, einfach anzurufen oder zu schreiben. Schon durch die Ansprache versuchen, einen besonderen Akzent zu setzen. Ich schreibe ungern „Sehr geehrte“, sondern meist „Guten Tag“ oder „Ahoi“, wie es gerade passt. In einem kurzen Exposé skizziere ich das Thema und wenn ich für den Adressaten noch unbekannt bin, hänge ich eine kurze Vita an, und vergesse auch nicht zu verlinken, was ich zu dem Thema schon alles gemacht habe. Wichtig ist, die Medien zu kennen. Wo passt mein Thema gut rein, was lief bei denen in den letzten Wochen? Wer schreibt was und an wen kann ich mich wenden? 

Wie vertretbar ist es, einen Journalisten, den man kaum oder gar nicht kennt, nach einem Kontakt zu fragen? 

Für mich gilt „Kommunikation ist alles“, also finde ich es total vertretbar, immer. Schlimmer als ein Nein kann es doch nicht kommen.

Hattest du schon mal den Fall, dass dir eine Geschichte geklaut wurde?

Ach, das lässt sich schwer beweisen. Vielleicht hing das Thema ja eh schon in der Luft? Was mich mehr ärgert: Wenn ich versuche, meine Protagonisten nicht zu verunglimpfen und die Chefredaktion geht drüber und verunglimpft sie aufs Böseste oder packt mir eine Headline rein, die so nicht gemeint war. Einmal im Interview mit dem „Hafenreport“ sagte ein Mann, der Hafen bräuchte einen „Hafensenator“. Sprich, extra einen Senator, der sich nur um den Hafen kümmert. Daraus machte der Chefredakteur, der ehemals bei der Bild war: „Es braucht sofort einen neuen Hafensenator.“ Bei einer anderen Geschichte hat er so massiv in den Text eingegriffen, da hätte nur noch „Bilder: Marina Friedt“ stehen dürfen. 

Wie wehrst du dich?

Ich bin dann zu unserem Justiziar und legte ihm meine ursprüngliche und die neue Version der Geschichte auf den Tisch. Er sagte, es sei meine Entscheidung, ob ich das vor Gericht ausfechten möchte. Das kostet aber viel Kraft und dazu ist mir die Lebenszeit zu schade. Meine Konsequenz war, dass ich aufgehört habe, für das Medium zu schreiben. Tatsächlich aber ziehe ich bald das erste Mal vor Gericht: Ein Auftraggeber schuldet mir noch ein vierstelliges Honorar aus 2016. Da ist auch bei mir Schluss mit lustig.

Am Anfang des Interviews hast du das starke Netzwerk erwähnt. Wie knüpft man in der Branche am besten Kontakte?

Zuerst alles mitnehmen, zu dem man eingeladen wird, wenn es einen anspricht.

Und wenn man nirgends eingeladen wird? 

Das kann doch gar nicht passieren! Wenn du in den alten Fach-Portalen wie zum Beispiel Zimpel oder Redbox vertreten bist, wirst du immer irgendwo eingeladen, weil die Agenturen auf diese Daten zurückgreifen. Es gibt außerdem Veranstaltungen, die auf Facebook erscheinen, es gibt Hamburg@work, Nextmedia oder Branchentreffen vom DJV und anderen Organisationen. Dort lernst du die Redner kennen und bleibst in Kontakt mit Kollegen.  

Noch mehr Tipps für unsere Leser und Leserinnen?

Hinfallen, Aufstehen, Krönchen richten, weiter laufen. Und stets die Augen offen halten! 

Finde Marina Friedt auf: Twitter.

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